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Nur ein „Tick“ – oder schon eine Zwangsstörung?

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Liebe Leserinnen und Leser!

Wahrscheinlich kennen auch Sie jemanden, der einen kleinen Tick, eine Macke, eine Marotte, einen Spleen oder sonst eine schrullige Eigenschaft hat. Viele Menschen drehen beispielsweise auf dem Weg nach draußen wieder um, um den ausgeschalteten Herd oder das Bügeleisen zu kontrollieren. Andere wiederum laufen auf dem Bürgersteig nur innerhalb der Trittsteine, drapieren Sofakissen in einer bestimmten Reihenfolge, während andere ihre Handtücher ausnahmslos farblich sortiert im Schrank akzeptieren.

 

 

 

 

 

Oft fällt es gar nicht auf, dass andere durch eingeprägte Rituale einen Tick entwickelt haben. Viele Menschen versuchen auch, ihre Marotten zu verstecken. Und fällt es doch einmal auf, kann dies in der Regel liebevoll und manchmal auch lustig als individuelle Charaktereigenschaft wahrgenommen werden. Denn schließlich hat ja jeder die eine oder andere „Macke“, oder? Ganz häufig handelt es sich dabei einfach um einen harmlosen Teil der Persönlichkeit. Gefährlich wird es aber, wenn die Ticks zwanghaft werden und geeignet sind, Lebensqualität und Gesundheit in Mitleidenschaft zu ziehen.

Liebgewonnene Rituale sorgen für Entspannung

Viele Ticks sind automatisierte Gewohnheiten und Rituale, die selten infrage gestellt werden. Manchmal haben Menschen sie von ihren Eltern oder anderen übernommen und gemerkt, dass deren stereotype Abläufe beruhigen und entspannen. Diese eingeprägten Abläufe können helfen, den Alltag zu strukturieren und berechenbare Ordnung in ein Chaos zu bringen. So können zum Beispiel viele Büromenschen nur dann effektiv arbeiten, wenn alle Utensilien parallel auf dem Schreibtisch liegen.

Zu den Übersprungshandlungen gehören jedoch Marotten wie das Spielen mit den Haaren bei Angespanntheit und Nervosität, das Wackeln mit den Beinen und Füßen im Sitzen oder das Zupfen am Ohr beim Nachdenken. Bei Ratlosigkeit oder Aufregung werden diese Ticks genutzt, um Spannung abzubauen. Wenn diese kleinen Marotten dabei helfen, Stress abzubauen, dann sollte sich auch niemand daran stören.

Wer kontrolliert hier wen?

Leider kann es passieren, dass aus einer anfänglich harmlosen Macke eine Zwangsstörung entsteht. Dies hängt von dem Ausmaß, der Dauer und der Kontrollierbarkeit der jeweiligen Marotte ab. Wenn der Tick das normale Leben negativ beeinträchtigt und eigenständig kaum noch steuerbar ist, desto mehr spricht dies für eine Zwangsstörung. Betroffene bemerken dies zunächst daran, dass ihnen ihre eigene Marotte selbst auf die Nerven geht und als störend empfunden wird. Oft müssen Betroffene zugeben, dass sie einfach „nicht anders können“. Dass ihre Gedanken und Handlungen eigentlich unsinnig sind, wissen Betroffene dabei. Dennoch kommen sie nicht dagegen an.

Unter einer Zwangsstörung leiden geschätzt zwei Millionen Menschen in Deutschland. Leider befinden wir uns noch immer inmitten der Corona-Pandemie, was diese Zahlen noch stärker ansteigen lässt. Eine Zwangsstörung ist nicht nur für Betroffene schlimm, sondern kann auch das gesamte Umfeld überfordern. Der Zwang beherrscht dann gegen den eigenen Willen das eigene Verhalten, was häufig auf Ängsten begründet ist. Kontrollzwang basiert oft auf der Angst vor Unfällen oder Einbrüchen oder Waschzwang auf der Angst vor Infektionen und Krankheiten. Durch die Zwangshandlungen soll also etwas Gefährliches verhindert werden. Kann die Zwangshandlung nicht immer und immer wieder durchgeführt werden, entsteht das Gefühl von Angst, Ekel oder Unsicherheit.

Zu den bekanntesten Zwangshandlungen gehört das Reinigen und Waschen, was durch die Hygieneregeln während der Corona-Pandemie noch befeuert wurde. Menschen mit einem Waschzwang haben Panik vor Schmutz und Bakterien, sodass sich ihr Alltag um Sauberkeit dreht. Verschmutzungen und Körperkontakte werden vermieden, während immer wieder zwanghaft durchgeführte Putz- und Reinigungsrituale ausgeführt werden. Selbst ernannte Regeln werden dabei exakt durchlaufen. Geschieht dies nicht, kommt das Angstgefühl zurück und alles geht von vorne los. Das Leben wird von der Zwangsstörung oder Zwangsneurose dominiert.

Therapien gegen Zwangsstörungen

Die gute Nachricht: Zwangsstörungen lassen sich therapieren! Umso früher sich Betroffene in eine Therapie begeben, desto besser sind die Erfolgsaussichten. Oftmals sind sogar ambulante Verhaltenstherapien möglich, in denen Strategien gegen den Zwang erarbeitet und angewendet werden können. Dabei wird versucht, die falschen Rituale wieder abzugewöhnen. Diese Strategien müssen auch nach der Therapie weiter geübt, verinnerlicht und genutzt werden. Aber auch analytische Psychotherapien und Tiefenpsychologie-Therapien kommen bei Zwangsstörungen infrage. Unterstützt werden kann dies nicht nur medikamentös, sondern auch von Selbsthilfegruppen, in denen sich Betroffene und Familienmitglieder austauschen können. Dadurch wird das so wichtige Gefühl gestärkt, nicht alleine zu sein.

 

 

 

Trotzdem schämen sich viele Menschen mit einer Zwangsstörung und reden nur ungern darüber, weil sie in der Gesellschaft nicht als psychisch krank wahrgenommen werden möchten. Zwangsstörungen zählen heute aber neben Depressionen und Burn-out zu den anerkannten und vermehrt auftretenden Erkrankungen der Psyche, wofür sich niemand schämen muss und auch nicht sollte. Ganz im Gegenteil gehören Aufklärung, Information und Kommunikation zu den ersten Schritten in Richtung Heilung.

Bis zum nächsten Mal und bleiben Sie gesund!

Ihr Team von

CareWork & SHD